Ein Berg und noch ein Berg

13Juni2022

Nur 31 Grad heute! frohlockt die Wetter-App. Der kühlste Tag der Woche, denn gerade auf den Bergen soll ein kräftiger Wind wehen. Genau der richtige Zeitpunkt, die schöne Stadt Jerusalem mal so richtig kennen zu lernen. Die ganze Woche steht ja unter dem Motto "Spuren der Bibel im Heiligen Land". Nicht? Hatten die Veranstalter aber doch so ähnlich genannt.  Warum nicht gleich zwei biblische Berge auf einmal in Angriff nehmen? Gesagt getan. Steht ja auch so im Programm.

Das Frühstück beginnt später als sonst - eifrige Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen das ja bereits. Alle anderen lesen bitte den vorigen Eintrag. Jedenfalls zögert sich der Beginn unserer ersten Gipfelbesteigung noch etwas weiter hinaus. Alle müssen erst einmal zur Bank - eine erste Herausforderung an diesem sonnigen Montag, denn die beiden Automaten sprechen zunächst nur hebräisch mit dem Kunden, bis einer den winzigen Hinweis "English" am unteren Bildschirmrand entdeckt. Die Gebühren sind teurer als ein Bier im Supermarkt, aber hey - es regnet Schekel.

Eine halbe Stunde später soll es dann aber wirklich losgehen. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und gibt ihr Bestes -- Wärme. Und das nicht zu knapp. Haaaalt heißt es aber schon wieder, denn nun wollen die Schekel auch ausgegeben werden. Mindestens zehn neureiche junge Menschen stürmen den kleinen Supermarkt und kommen (später, viel später) mit Wasserflaschen unterschiedlicher Größe und Preiskategorien wieder heraus. So lernen wir: Ein-Schekel-Münzen sehen aus wie Spielgeld - zählen aber trotzdem 22 Cent oder so. Kleine Trinkflaschen mit Fancy-Verschluss sind teurer als die großen - dafür ist weniger drin.

Mit diesen Betrachtungen vergeht schon fast der Vormittag. Die Reiseleitung mahnt, jetzt doch den Zionsberg (oder Mount Zion) so langsam is Auge zu fassen, denn dort thront die Dormition Abtei weithin sichtbar - und unser erstes Ziel heute Morgen (oder Mittag). Um den Berg zu erklimmen geht es dummerweise erst einmal in das Tal davor. Ein Tiefes Tal, das den Berg noch höher erscheinen lässt.

Mehr Schein als Sein - stellt sich heraus, denn die fitte Truppe schafft den Aufstieg in handgestoppten 20 Minuten. Ruckzuck findet man sich vor der Dormition Abtei wieder, in der es eigentlich den Sterbeort der Gottesmutter Maria zu besichtigen gäbe - wenn das Ganze sich heute nicht als Großbausstelle präsentierte. Geschlossen. Kommt auf die Bucketlist fürs nächste Mal.

Gleich um die Ecke befindet sich das Grab von König David. Er ist seit 3000 (kein Tippfehler) Jahren tot, zieht aber bis heute Massen von gläubigen Juden an, die den biblischen König und Psalmendichter als Gründer Israels und Jerusalems verehren. Entsprechend groß ist der Andrang - Männer rechts und Frauen links dürfen sich dem Steinsarg nähern. Auch unsere gänzlich nichtjüdische Gruppe wagt einen Blick und atmet die besondere Atmosphäre ein.

Quasi ein Stockwek über den Katakomben liegt der Saal, in denen Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Hier müsste der Konjunktiv stehen, denn er soll es wohl hier getan haben. Wen stört es schon, dass das Gebüude nachweislich im 15. Jahrhundert errichtet worden ist? Bei solchen biblischen Orten muss der Glaube einfach nur stark genug sein - dann können der Besucher und die Besucherin auch kleine historische Ungenauigkeiten leichter akzeptieren.

Dieser Zionsberg hat es wirklich in sich. Weiter gehts ein Stück abwärts zu einem Friedhof, auf dem sich das Grab von Oskar Schindler befindet. Expertin Jette und Experte Andreas Nölke versorgen die Delegation mit Infos über Oskar Schindlers Leben und seine Rolle als "Retter von 1200 Juden" zurzeit des Nationalsozialismus. Spätestens seit Steven Spielbergs Film Schindlers Liste ist sein Name weltberühmt. Eine Menge Steine auf seiner Grabplatte zeugen davon, dass dem 1974 Verstorbenen bis heute großen Respekt entgegengebracht wird.

Damit sind die markantesten Sehenswürdigkeiten des Zionsbergs abgehakt. Bei prächtiger Mittagshitze bewegt sich die Reisegruppe an der imposanten Jerusalemer Stadtmauer entlang zum Jaffa Gate. Durch dieses Stadttor kam einst der deutsche Kaiser Wilheln der Zwote mit Kutsche und Gefolge in die Altstadt gefahren. Wir haben zwar keine Kutsche dabei, nehmen das Tor aber trotzdem, um hier unsere Mittagspause zu beginnen.

Wenig später (der zweite Berg ruft!) schaut die Gruppe noch an der Klagemauer vorbei. Einige Gruppenmitglieder stopfen traditionsgemäß ihre persönlich beschrifteten Zettel mit Wünschen für die Zukunft in eine Fuge der Mauer - die meisten aber wünschen sich nichts. Außer vielleicht etwas Schatten - oder einen Hotelpool mit Cocktailbar.

Beides gibt es hier nicht. Deshalb weiter im Galopp durch die verwinkelten Altstadtgassen, dann raus aus der Altstadt durch das Lions Gate / das Löwentor und uff - zweimal um die Ecke bis zu Marias Grab. Auf breiten Stufen geht es hinunter in ein großes spärlich beleuchtetes Kellergewölbe. Den Sarg kann man besichtigen. Auch hier heißt es wieder: Dein Glaube wird dir helfen, denn es gibt auf der Welt zahlreiche Gräber Marias.

Schon füfnf Uhr! Wir verlassen Maria und stehen am Fuß des Ölbergs (oder Olivenbergs). Hier unten ist der Garten von Getsemane - ein bilblischer Ort ersten Ranges, denn hier hat Jesus nachweislich gebetet. Er wurde in der benachbarten Grotte von Judas verraten und das Schicksal nahm seinen Lauf. Die prächtigen Olivenbäume sind eine der ältesten Lebewesen weit und breit, stehen sie hier doch schon über 1000 Jahre am selben Ort. Hinter der Gartenmauer tobt der Feierabendverkehr, aber im Garten und in der benachbarten "Kirche der Nationen" hört man fast nichts davon. In der angenehm kühlen Kirche mit den berühmten Mosaiken bleiben wir einen Moment sitzen.



Dann geht es aber hinauf auf den Berg. Die Mittagshitze hat nachgelassen - die Steigung der Wegstrecke ist aber immer noch  dieselbe. Mörderische 23% sind angesagt. Als die BMMG Delegation oben ankommt, wird sie von einer kühlenden Brise und einem Bilderbuchpanorama empfangen. Die gesamte Old City präsentiert sich im spätnachmittäglichen List und die goldene Kuppel des Felsendoms auf dem Tempelberg beherrscht die Szene. Der prächtige Anblick entschädigt für den Aufstieg. Nun weiß der Bergbesteiger, warum Jesus damals einen Esel genommen hat, als er kurz vor Palmsonntag hier hoch wollte.



Fast vergessen hatten wir vor lauter Ergriffenheit, dass wir den ganzen Weg zum Deutschen Hospiz noch zurückgehen müssen. Irgendwie klappten die restlichen 6 Kilometer dann auch recht zügig - trotz einiger merkwürdiger Abkürzungen, die Hamkes Handy-App vorschlägt. Nur soviel dazu: es gibt ein paar verdammt dunkle Gassen in Old Jerusalem.

An diesem Tag hat sich die ganze Mannschaft wirklich etwas Besonderes verdient. Man sah unsere Profipilger nach Einbruch der Dunkelheit in einem Restaurant mit landestypischen Spezialitäten speisen. Burgerland heißt der Laden.