Bald geht es los

19Mai2022

Dies ist der erste Eintrag im 2022er Blog.

Liebe Daheimgebliebene. Bitte glaubt nicht, was die Reiseteilnehmerinnen und Reiseteilnehmer euch in ihren TicToc Insta Whatsapp Twitter Gruppen oder Kanälen über diese Fahrt berichten. Hier erhaltet ihr die einzig wahren fakenewsfreien Infos über Tatsachen, Gerüchte und Gerüche - nahezu in Echtzeit aus dem Heiligen Land.

Bald geht es los.  Versprochen.

 

WhatsApp Gruppe steht - jetzt kann nichts mehr schief gehen.

19Mai2022

Eines der wichtigsten Dinge bei den Reisevorbereitungen ist das Einrichten einer WhatsApp-Gruppe.

Das gilt besonders, wenn das Reiseziel Israel heißt. WhatsApp ist die Nachfolge App von ICQ - und diese Mutter aller Messenger ist eine israelische Erfindung.

In der Vergangenheit gab es schon Gruppenmitglieder, die ihre gesamte Unterwäsche zu Hause vergessen hatten, aber einen Zugang zur WhatsApp-Gruppe - das hatten sie. Auch diese Reisenden sind übrigens heil wieder zu Hause angekommen. Wozu ein Handy doch nicht alles gut ist.

Siehste - geht doch!

12Juni2022

In Corona Zeiten ist alles anders. Obwohl die Welle gerade mal kurz eine Auszeit nimmt, bevor sie im Herbst wiederkommt, sind die Dinge nicht mehr, wie sie vorher waren. Schon die Formulare, QR Codes, Bescheinigungen und Online Registrierungen machen aus den früher so entspannten Monte-Holy-Land Touren einen Behördenhürdenlauf über mehrere Kontinente hinweg. - und dabei ist man noch nicht mal losgefahren.

14.50 Uhr sollte der Flieger Richtung Mittelmeer starten - aber in "diesen Zeiten" ist es ratsamer, etwas früher da zu sein. "Etwas" ist ein dehnbarer Begriff und so treffen sich die mittlerweile auf 25+4 Personen zusammengeschrumpften Jerusalemites zu fast nachtschlafender Zeit schon um halb elf am Check in Schalter. Weit und breit niemand zu sehen bei Turkish Airlines - weder Passagiere noch Personal. Aber wir sind ja immerhin schon da - fast vollzählig.



Eine gute Stunde später sieht es dann schon anders aus. Kurz vor 12 legt eine rotgewandete Bedienstete ihre Kleberolle in den Drucker und eine halbe Stunde später ist die Schlange da. Hinter uns natürlich. Da haben wir längst schon die halbe Gruppe durchgeschleust. Es dauert alles ein bisschen, denn die Airline hatte vergessen, der Welt mitzuteilen, dass man "diesen Anmeldecode" für die Reise nach Israel benötigt. Kriegen wir aber letztendlich auch hin. Andere Passagiere aber wohl nicht, denn längst sitzen wir in unserem ziemlich neuen Airbus 320 auf den Plätzen, Fritz hat das "In-Flight Entertainment System" schon gecheckt und den ersten High Score des Tages erzielt, da kommen immer noch Fluggäste eingetrudelt.

Fast eine Stunde warten wir noch - und sehen unseren Anschlussflug in Istanbul schon ohne uns losfliegen. Aber dann geht es doch los - und in Istanbul managt man die Krefelder Reisenden mit mediterraner Lässigkeit an den Schlangen vorbei in den Flieger nach Tel Aviv.

Mittlerweile ist der Tag fast rum - es dämmert schon über dem Bosporus, als der Airbus abhebt - nun geht es endgültig Richtung Orient. Es wird lauter und lustiger im hinteren Teil der Maschine - da, wo die Bordtoiletten sind. Ein israelisches Damenkränzchen fliegt nach dem Türkei-Urlaub zurück in die Heimat - und muss mal auf Klo. Alle. Und das gefühlt gleichzeitig. Schnell kommt man mit der Warteschlange ins Gespräch. Zwangsläufig sozusagen. Ah ja - ich bin auch aus Haifa und hab da mal gewohnt. Reali School? Ja, kenne ich. Tollste Schule in ganz Israel. Germany? Is it cold there? Nö, sagt der Angesprochene. Dreißig Grad heute - und blickt in fast schon enttäuscht aussehende Gesichter. Klischees gibts eben auf beiden Seiten. Hier, nimm einen Snack - und schon wird die Flipstüte ein Mittel zur Völkerverständigung.



Wir erreichen den Ben Gurion Airport fast pünktlich auf die Minute. Und wohlgenährt sind wir auch, denn es gab eine Mahlzeit pro Flugzeug - wer hätte das bei den Kerosinpreisen gedacht? Siehste - geht doch.

Inzwischen ist es schon 23 Uhr, weil man Richtung Osten eine Stunde Zeit verliert. 45 lässige Warteschlangenminuten später sind alle im Besitz dieses kleinen blauen Eintrittskärtchens, das den Zugang ins Land der Bibel ermöglicht. Koffer sind da. Bus ist da. Straßen sind leer. Um kurz nach 01.00 Uhr entleert Busfahrer Majdi seinen flammneuen Volvo Cruiser Bus. Menschen und Koffer schieben sich durch das gut gesicherte Eingangsportal des German Hospice St. Charles.

Schwester Maria Gabriela vom Orden des Hl. Karl Borromäus hat zusammen mit einer Volontärin des Hauses bis jetzt ausgeharrt. Sie begrüßt die inzwischen von der Hitze und vom Tagwerk leicht ermattete Reisegesellschaft frisch und fröhlich, bietet Snacks und Getränke an und verteilt die Zimmer. - streng nach Liste. Unsere BMMG Delegation merkt schnell: Hier herrscht eine Mischung aus Herzlichkeit und Ordnung.

Im Nahen Osten musst du immer feilschen, sonst bist du der Dumme - und so einigt man sich nach kurzem Bietergefecht auf eine montagmorgendliche Frühstücksverlängerungszeit von 9.30 Uhr. Und da die Zimmer und ihre Liegemöbel mitten in der Nacht sehr einladend aussehen, ist die ganze Gruppe schnell verschwunden.

Morgen gucken wir uns das alles mal bei Tageslicht an.

 

Ein Berg und noch ein Berg

13Juni2022

Nur 31 Grad heute! frohlockt die Wetter-App. Der kühlste Tag der Woche, denn gerade auf den Bergen soll ein kräftiger Wind wehen. Genau der richtige Zeitpunkt, die schöne Stadt Jerusalem mal so richtig kennen zu lernen. Die ganze Woche steht ja unter dem Motto "Spuren der Bibel im Heiligen Land". Nicht? Hatten die Veranstalter aber doch so ähnlich genannt.  Warum nicht gleich zwei biblische Berge auf einmal in Angriff nehmen? Gesagt getan. Steht ja auch so im Programm.

Das Frühstück beginnt später als sonst - eifrige Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen das ja bereits. Alle anderen lesen bitte den vorigen Eintrag. Jedenfalls zögert sich der Beginn unserer ersten Gipfelbesteigung noch etwas weiter hinaus. Alle müssen erst einmal zur Bank - eine erste Herausforderung an diesem sonnigen Montag, denn die beiden Automaten sprechen zunächst nur hebräisch mit dem Kunden, bis einer den winzigen Hinweis "English" am unteren Bildschirmrand entdeckt. Die Gebühren sind teurer als ein Bier im Supermarkt, aber hey - es regnet Schekel.

Eine halbe Stunde später soll es dann aber wirklich losgehen. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und gibt ihr Bestes -- Wärme. Und das nicht zu knapp. Haaaalt heißt es aber schon wieder, denn nun wollen die Schekel auch ausgegeben werden. Mindestens zehn neureiche junge Menschen stürmen den kleinen Supermarkt und kommen (später, viel später) mit Wasserflaschen unterschiedlicher Größe und Preiskategorien wieder heraus. So lernen wir: Ein-Schekel-Münzen sehen aus wie Spielgeld - zählen aber trotzdem 22 Cent oder so. Kleine Trinkflaschen mit Fancy-Verschluss sind teurer als die großen - dafür ist weniger drin.

Mit diesen Betrachtungen vergeht schon fast der Vormittag. Die Reiseleitung mahnt, jetzt doch den Zionsberg (oder Mount Zion) so langsam is Auge zu fassen, denn dort thront die Dormition Abtei weithin sichtbar - und unser erstes Ziel heute Morgen (oder Mittag). Um den Berg zu erklimmen geht es dummerweise erst einmal in das Tal davor. Ein Tiefes Tal, das den Berg noch höher erscheinen lässt.

Mehr Schein als Sein - stellt sich heraus, denn die fitte Truppe schafft den Aufstieg in handgestoppten 20 Minuten. Ruckzuck findet man sich vor der Dormition Abtei wieder, in der es eigentlich den Sterbeort der Gottesmutter Maria zu besichtigen gäbe - wenn das Ganze sich heute nicht als Großbausstelle präsentierte. Geschlossen. Kommt auf die Bucketlist fürs nächste Mal.

Gleich um die Ecke befindet sich das Grab von König David. Er ist seit 3000 (kein Tippfehler) Jahren tot, zieht aber bis heute Massen von gläubigen Juden an, die den biblischen König und Psalmendichter als Gründer Israels und Jerusalems verehren. Entsprechend groß ist der Andrang - Männer rechts und Frauen links dürfen sich dem Steinsarg nähern. Auch unsere gänzlich nichtjüdische Gruppe wagt einen Blick und atmet die besondere Atmosphäre ein.

Quasi ein Stockwek über den Katakomben liegt der Saal, in denen Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Hier müsste der Konjunktiv stehen, denn er soll es wohl hier getan haben. Wen stört es schon, dass das Gebüude nachweislich im 15. Jahrhundert errichtet worden ist? Bei solchen biblischen Orten muss der Glaube einfach nur stark genug sein - dann können der Besucher und die Besucherin auch kleine historische Ungenauigkeiten leichter akzeptieren.

Dieser Zionsberg hat es wirklich in sich. Weiter gehts ein Stück abwärts zu einem Friedhof, auf dem sich das Grab von Oskar Schindler befindet. Expertin Jette und Experte Andreas Nölke versorgen die Delegation mit Infos über Oskar Schindlers Leben und seine Rolle als "Retter von 1200 Juden" zurzeit des Nationalsozialismus. Spätestens seit Steven Spielbergs Film Schindlers Liste ist sein Name weltberühmt. Eine Menge Steine auf seiner Grabplatte zeugen davon, dass dem 1974 Verstorbenen bis heute großen Respekt entgegengebracht wird.

Damit sind die markantesten Sehenswürdigkeiten des Zionsbergs abgehakt. Bei prächtiger Mittagshitze bewegt sich die Reisegruppe an der imposanten Jerusalemer Stadtmauer entlang zum Jaffa Gate. Durch dieses Stadttor kam einst der deutsche Kaiser Wilheln der Zwote mit Kutsche und Gefolge in die Altstadt gefahren. Wir haben zwar keine Kutsche dabei, nehmen das Tor aber trotzdem, um hier unsere Mittagspause zu beginnen.

Wenig später (der zweite Berg ruft!) schaut die Gruppe noch an der Klagemauer vorbei. Einige Gruppenmitglieder stopfen traditionsgemäß ihre persönlich beschrifteten Zettel mit Wünschen für die Zukunft in eine Fuge der Mauer - die meisten aber wünschen sich nichts. Außer vielleicht etwas Schatten - oder einen Hotelpool mit Cocktailbar.

Beides gibt es hier nicht. Deshalb weiter im Galopp durch die verwinkelten Altstadtgassen, dann raus aus der Altstadt durch das Lions Gate / das Löwentor und uff - zweimal um die Ecke bis zu Marias Grab. Auf breiten Stufen geht es hinunter in ein großes spärlich beleuchtetes Kellergewölbe. Den Sarg kann man besichtigen. Auch hier heißt es wieder: Dein Glaube wird dir helfen, denn es gibt auf der Welt zahlreiche Gräber Marias.

Schon füfnf Uhr! Wir verlassen Maria und stehen am Fuß des Ölbergs (oder Olivenbergs). Hier unten ist der Garten von Getsemane - ein bilblischer Ort ersten Ranges, denn hier hat Jesus nachweislich gebetet. Er wurde in der benachbarten Grotte von Judas verraten und das Schicksal nahm seinen Lauf. Die prächtigen Olivenbäume sind eine der ältesten Lebewesen weit und breit, stehen sie hier doch schon über 1000 Jahre am selben Ort. Hinter der Gartenmauer tobt der Feierabendverkehr, aber im Garten und in der benachbarten "Kirche der Nationen" hört man fast nichts davon. In der angenehm kühlen Kirche mit den berühmten Mosaiken bleiben wir einen Moment sitzen.



Dann geht es aber hinauf auf den Berg. Die Mittagshitze hat nachgelassen - die Steigung der Wegstrecke ist aber immer noch  dieselbe. Mörderische 23% sind angesagt. Als die BMMG Delegation oben ankommt, wird sie von einer kühlenden Brise und einem Bilderbuchpanorama empfangen. Die gesamte Old City präsentiert sich im spätnachmittäglichen List und die goldene Kuppel des Felsendoms auf dem Tempelberg beherrscht die Szene. Der prächtige Anblick entschädigt für den Aufstieg. Nun weiß der Bergbesteiger, warum Jesus damals einen Esel genommen hat, als er kurz vor Palmsonntag hier hoch wollte.



Fast vergessen hatten wir vor lauter Ergriffenheit, dass wir den ganzen Weg zum Deutschen Hospiz noch zurückgehen müssen. Irgendwie klappten die restlichen 6 Kilometer dann auch recht zügig - trotz einiger merkwürdiger Abkürzungen, die Hamkes Handy-App vorschlägt. Nur soviel dazu: es gibt ein paar verdammt dunkle Gassen in Old Jerusalem.

An diesem Tag hat sich die ganze Mannschaft wirklich etwas Besonderes verdient. Man sah unsere Profipilger nach Einbruch der Dunkelheit in einem Restaurant mit landestypischen Spezialitäten speisen. Burgerland heißt der Laden.

 

 

 

Wilde Mischung

14Juni2022

Als Deutscher bzw Deutsche gibt es wohl kaum einen anderen Ort, an dem man sich so unwohl fühlen kann wie in der zentralen israelischen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem. Hier wird die Geschichte der Judenverfolgung und Vernichtung vor und während des Zweiten Weltkrieges aus israelischer Sicht in Wort, Bild und Ton dargestellt. Deutsche kommen hier nicht gut weg - warum sollten sie auch?

Unsere historisch zum Teil sehr gut vorgebildeten Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer hatten wohl die meisten der hier versammelten Original Zeitdokumente schon einmal im Film und in Geschichtsbüchern gesehen. Die geballten Informationen auf engem Raum in einem Gebäude, das wegen zu vieler Besucher zeitweise kaum Luft zum Atmen lässt, hat dann aber doch noch eine andere Dimension.

Unser deutschsprachiger Guide Mark tut drei Stunden lang sein Bestes, uns durch die Menschenmassen hindurchzuschleusen und dabei gleichzeitig per Sprechfunk sein Wissen weiterzugeben. Mit Erfolg, wie wir finden. Die Delegation gibt ihm am Ende ein einstimmiges Daumen-hoch. Gerne hätte der interessierte Besucher der Sammlung einige Stücke noch in Ruhe näher betrachtet, aber bei dem Geschiebe und den vielen "excuse me"s ist das nur bedingt möglich. So bleibt mal wieder nur der Vorsatz, der Gedenkstätte irgendwann einmal einen weiteren Besuch abzustatten. "L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim" -- oder "Nächstes Jahr in Jerusalem".

Unsere kleine Reisegruppe hat die geballte Ladung aus schlimmen und noch schlimmeren Details des Holocaust erst einmal verkraftet, wie es bei der Rückfahrt in Majdis Volvo-Bus den Anschein hat. Erfahrungsgemäß wird der Besuch aber noch lange nachwirken.

Aber jetzt ist erst einmal Tapeten- und Stimmungswechsel angesagt. Was gestern in der Old Town an Aktivitäten aus Zeitgründen liegen geblieben ist, kann jetzt nachgeholt werden - auf eigene Faust. Das gesamte arabische Viertel der Old Town ist ein einziger Markt - Granatapfelsaft? Shawarma Gewürz? Datteln in Premium Qualität? Gibts alles hier. Schals, Gewänder, Stoffe, dazwischen ein Metzger mit Lammfleisch-Spießen, neben ihm gibt es frisches Baklava mit Pistazien.

Weihrauch? Rosekränze? Wir sind schon ins Christliche Viertel abgedriftet. Schöne handgeschnitzte Krippenfiguren (aus China) und Kruzifixe in allen Größen und Farben wechseln sich ab mit Falafel-Bratereien, wärend daneben ein "Danish Restaurant" eindeutig arabische Lafa-Rollen anpreist. Immerhin gibt es Tuborg Pils dazu. Die Besucherinnen und Besucher stolpern fast über die Auslagen der Händler, die ihnen immer "A good price" versprechen, auch wenn das erste Angebot meist 300%  über dem realistischen Wert der Ware liegt.

Die drei Lehrkörper samt Anhang zieht es dagegen Richtung Café. Das österreichische Hospiz war mal ein Geheimtipp bei Jerusalem-Besuchern. Von außen unscheinbar und neben einer großen Moschee gelegen, entfaltet es hinter den Mauern seinen unnachahmlichen alpenrepublikanischen Charme - es riecht nach Meinl Kaffee - Entschuldigung: es muss "Melange" heißen - nach Knödeln, Käsespätzle und vor allem nach Apfelstrudel. Der Moment, wenn dann im schattigen Dachgarten die Sahne über dem Strudel schmilzt und der Muezzin mit 110 Dezibeln zum Gebet ruft... unbezahlbar. Das hat sich wohl inzwischen ziemlich herumgesprochen, denn der Laden ist rappelvoll mit deutschsprachigen Gästen.  Soviel zum Thema Geheimtipp.

Auch die Schülerinnen und Schüler tauchen jetzt hier auf. Müssen sie auch, denn das Hospiz liegt auf der Via Dolorosa und ist der Treffpunkt, von dem aus die ganze Gruppe den Kreuzweg beten wird. Am Original-Schauplatz, sozusagen. Der Kreuzweg hat bekanntlich (bzw. eher unbekanntlich) 14 Stationen. Kollege Nölke bewegt sich als evangelischer Geistlicher auf ungewohntem religiösem Pflaster, denn für ihn ist es das erste Mal, dass er einen Kreuzweg betet.

Schon bei den ersten Stationen merken wir rasch, dass unsere Bibelzitate und Meditationen gegen knatternde Mini-Laster, stimmstarke Händler und den parallel betenden Muezzin einen schweren Stand haben. Ab Station 4 hören wir den Lärm aber nicht mehr so stark und halten tapfer durch. Vermutlich musste Jesus vor gut 2000 Jahren sein Kreuz bei ähnlichen Temperaturen und mitten durch ein vergleichbares Gewusel tragen. Das ganze Setting ist also gerade sehr realistisch. Noch realistischer ginge es,wenn man sich bei einem der Händler am Weg mit einer Fake-Dornenkrone und einem mannshohen Kreuz ausstattete. Die Umsetzung eines entsprechenden Vorschlags wird aber gerade noch vereitelt.

Bekanntlich (oder unbekanntlich) endet der Kreuzweg in der Grabeskirche - so auch bei uns. Die Schlange vor der kleinen Kirche-in-der-Kirche mit Jesu Grab ist nicht sehr lang, daher schaffen es die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinein. "Ein Ort mit einer unglaublichen Stimmung" - "Ein Ort wie kein anderer," versucht eine unserer Teilnehmerinnen das gerade Erlebte zu beschreiben und wischt sich eine Träne der Ergriffenheit aus dem Auge.

Nach kleiner Pause wechselt die Gruppe zum letzten Mal für heute die Location. Es geht jetzt unter das heutige Jerusalem. Schon krabbeln alle Beteiligten durch einen Gang in den Katakomben, der vor 1200 Jahren noch ein Teil des arabischen Markts war. Spooky.

Mächtige Steinquader bilden den unteren Teil der Klagemauer - und niemand weiß genau, wie sie dorthin gekommen sind. So ein 16 Meter langes Klötzchen wiegt ähnlich viel wie zwei Passagierflugzeuge.



Der Tag endet mit dm Rückweg ins Hospiz. Klar doch. Aber erst mal was essen.

 

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Boker tov, Haifa

15Juni2022

Heute macht sich der Bus mit den 29 Unentwegten auf Richtung Norden. Haifa liegt etwa 120 Kilometer von Jerusalem entfernt und ist der Standort unserer Partnerschule, der Reali School Beit Biram. Die Schule hat in ganz Israel einen sehr guten Ruf, hat sie doch im Laufe ihres gut 100jährigen Bestehens zahlreiche Armeegeneräle und Panzerkommandanten hervorgebracht. Das zählt viel in diesem militärverrückten Land, in dem alle jungen Leute ab 18 für mindestens zwei Jahre den Wehrdienst ableisten müssen.

Jungs sind sogar drei Jahre zum Dienst an der Waffe verpflichtet. Manche treten sogar schon mit 16 in den Dienst der IDF (Israeli Defense Forces) ein und gehen auf eine Kadettenschule, um später die höhere Offizierslaufbahn einschlagen zu können.

Eine solche "Schule", die "Military Academy", liegt nicht ohne Grund direkt neben der Reali School. Hier gibt es eine Kooperation zwischen Schule und Akademie. Die jungen Kadetten lernen zusätzlich zum regulären Unterricht noch alles über  den Dienst an der Waffe, "Leadership" (=Menschenführung) und Taktik.

Das alles erfahren unsere Reisenden von zwei smart uniformierten jugendlichen Mitgliedern der IDF. Diese beiden sind wiederum Teil des Empfangskomitees, das uns zuvor am erstaunlich gut gepanzerten Reali Schultor empfangen hat. Mit einem guten Dutzend Reali-Schülerinnen und Schülern sitzen die bischöflichen Besucherinnen und Besucher zusammen in einem Raum und unterhalten sich über deutsche und jüdische Themen aus Vergangenheit und Zukunft. Etwas Sport, eine Prise Musik, die Corona Pandemie und ihre Auswirkungen auf das schulische und private Leben - eben, was die jungen Leute so interessiert.

Reali-Lehrerin Regina hat die israelische Schülerinnen- und Schülergruppe prima zusammengestellt, trotz ihres Zeugnis- und Prüfungsstresses. In gut drei Stunden direkter Begegnung zwischen Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schüler aus beiden Ländern wird hier die Basis für das Fortbestehen der Schulpartnerschaft gelegt. Als auch noch unsere Israel-Austausch Veteranen von ganz früher die Szene betreten, meint man fast, dass da "von oben" jemand die Hand im Spiel hat. Und damit sind nicht die Schulbehörden gemeint. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich unser israelischer Kollege Yehuda Lahav auf und begrüßt die deutsche Delegation.

Fast zeitgleich, aber nicht abgesprochen, meldet sich per Messenger Chat Josef Breuers von seiner Couch in Meerbusch und zeigt sich hocherfreut über jede Menge bekannter Gesichter und Bilder aus dem Lehrerzimmer der Reali School, in dem er seit 2007 so oft erlebt hat, wie wunderbar und unkompliziert junge Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander klar kommen. Liebe eifrige Leserin und lieber Leser dieses Chats. Zur Erklärung sei gesagt: ohne Josef Breuers gäbe es keinen Israel Austausch und wir wären alle heute nicht hier.

"See you in Spring" - so verabschieden sich die Gruppen voneinander. Die Schülerinnen und Schüler haben längst ihre Whatsapp Freundesliste ergänzt und bleiben auch noch bei der anschließenden Busfahrt (und hoffentlich darüber hinaus) in Kontakt.

Unser Bus färt uns durch die blühende Landschaft von Galiläa Richtung Tiberias am See Genesaret. Die Mitreisenden sind sich angesichts der Blütenpracht einig: Jesus hatte einen guten Geschmack, wenn es um die Wahl seines Wohnortes ging.

Auf dem Berg der Seligpreisungen genießen wir die fantastische Aussicht auf den total blauen See und die Kirche, die den Ort der Bergpredigt markiert. Selig sind die Reisenden, denn sie werden die Welt besser verstehen. Das ist zwar keine überlieferte Seligpreisung, passt aber trotzdem.

Die Reiseleitung mahnt zur Eile und so bewegt sich der Bus flugs nach Kapernaum (Kafarnaum), das nur ein paar Kilometer weiter direkt am Seeufer liegt. Der See übt angesichts der Mittagstemperaturen von knapp 40°C eine magische Anziehunskraft aus. Luise macht noch schnell den Test, ob eine Überquerung des Sees zu Fuß Sinn macht und möglich ist. Das soll ja vor 2000 Jahen schonmal geklappt haben. Leider bleibt mal wieder kaum Zeit, den Standort Kapernaum genuer zu inspizieren. Das Haus des Petrus  - in dem Jesus zeitweise mitgewohnt hat- ist eindeutig zu erkennen und auch die Synagoge, in der Jesus schon als Knabe die Schriftgelehrten zur Verzweiflung brachte, ist hier noch vorhanden.



Weil der See bei der Gruppe besser ankommt als die eigentlichen Ausgrabungen, kurven wir schnell weiter um den See herum, befahren die Ostseite des Ufers ud erreichen Yardenit am Jordan. Hier soll Johannes den jungen Jesus getauft haben. Was für Jesus funktioniert hat, kann auch heute nicht anz falsch sein. Unter diesem Motto handelt eine Gruppe amerikanischer Freikirchler und tauft, was das Zeug hält. Jeder Täufling wird nach vorne ins Wasser zitiert und dann unter Applaus untergtaucht. Gerne verschwiegen wird die Tatsache, dass die Taufstelle nachweislich nicht die Stelle gewesen sein kann, an dem Johannes der Täufer Jesus getauft hat.



Schließlich rauscht der Bus wieder zurück nach Jerusalem, dieses Mal über die Route 90, entlang der jordanischen Grenze.

Dead Sea Day

16Juni2022

Schon wiiieder früh aufstehen - dabei ist heute doch Feierteg in Deutschland, und schulfrei. Solche Proteste hört man von der Gruppe nur ganz gelegentlich - auch weil es sich inzwischen rumgesprochen hat: wer eine Menge sehen will, der muss früh losfahren - schon wegen der sommerlichen Temperaturen. Majdi ist mit seinem Bus pünktlicher zur Stelle, als alle Busfahrer Deutschlands zusammen (und pünktlicher als die Bahn sowieso). Bei frischen 22 Grad und einem kühlenden Wind besteigen heute nur 24 Schülerinnen und Schüler den Volvo-Bus Richtung Totes Meer. Wegen leichter Symptome lassen wir einen Schüler in der Obhut der Borromäus-Nonnen - der Rest rollt mit Majdi aus der 700m hoch gelegenen Heiligen Stadt den Berg hinunter in den Jordangraben, in dem nicht nur ser gleichnamige Fluss, sondern auch das Tote Meer zu finden ist.

Nach 30 Minuten Fahrt hält die Exkursion kurz am "Sea Level" Parkplatz. Er liegt, wie der Name schon sagt, auf Null Meter Seehöhe. Der kühle Wind ist hier einem Luftzug gewichen, der einem Haarfön auf Stufe 3 verdächtig nahe kommt. Die ganze Gegend sieht so was von ausgetrocknet aus und weit und breit ist kein Grün mehr zu sehen. Eigentlich erblickt das noch etwas verschlafene, aber geschulte Auge des Montessorischülers hier überhaupt nichts als graubraune in Schichten zusammengebackene Sandhaufen - und ein Kamel, dessen Besitzer heute vergeblich auf touristische Jockeys wartet. Aber genau deshalb halten wir hier. Hier ist nichts als Wüste.  Irgendjemand hat diese Leere wohl bemerkt und gedacht: so kann das nicht bleiben. Denn seit kurzem wird die Gegend durch eine haushohe Skulptur künstlerisch anspruchsvoll bereichert. Das Ding wurde alledings direkt neben der lokalen Kläranlage platziert und ist so hässlich, dass wir dir, lieber eifriger Leser dieses Blogs, den Anblick ersparen.

Wie schön, dass unser Bus eine gut funktionierende Klimaanlage hat und Majdi auch während unseres Kurzausflugs den Motor hat laufen lassen. Mit angenehmen 20 Grad um die Nase geht die Exkursion weiter.



Am Allenby Bridge Abzweig rechts ab - und da kann man es sehen: In karibischem türkisblau liegt das Tote Meer in greifbarer Nähe, umrahmt von einem weißen Salzrand und mit leichtem Dunst über der Wasseroberfläche. Jeden Tag verdunsten hier bei Temperaturen von über 50°C im Sommer zigtausende Liter Wasser - Wasser, das der hier fast ausgetrocknete Jordanfluss nicht mehr auffüllen kann. Da hier auch nur selten Niederschlag fällt, trocknet der immerhin bis zu 350 Meter tiefe See immer weiter aus. Man kann quasi dabei zuschauen - jedes Jahr sinkt der Wasserspiegel um rund einen Meter. Und salziger wird das Wasser auch - es enthält etwa zehn bis fünfzehnmal mehr Salz pro Liter als die Nordsee. Was aus der Ferne so einladend aussieht ist also bei näherer Betrachtung eine ziemlich ätzende Brühe.

 

Mitten in dieser Einöde haben es aber tatsächlich Menschen geschafft, jahrzehntelang zu überleben. Cleveres Wassermanagement und Vorratshaltung machten es möglich. Da es wenig andere Beschäftigung gab, schrieben die frommen Männer, die hier gewohnt haben, Texte auf Schriftrollen. Die Texte sorgten unter anderem dafür, dass die Wissenschaft  - und später auch der interessierte Laie - einen Einblick in das Alltagsleben jüdischer Glaubensgemeinschaften erhielt.  Auch die Entstehung der heiligen Schrift des Judentums (der Tora) musste danach neu bewertet werden. Tausende Rollen ("Dead Sea Scrolls") lagerten 2000 Jahre lang in den Höhlen am Ufer des Toten Meeres - und wegen des Klimas waren sie nach all dieser Zeit noch lesbar.

Alles ziemlich sensationell, weshalb es hier am See-Ufer eine Ausgrabungsstätte gibt, in der die Geschichte der Dead Sea Scrolls erzählt wird. Wer noch mehr wissen will, der klickt mal HIER.

   

Da die Krefelder Wüstenforscherinnen und Forscher seit dem letzten Stopp schon wieder hundert Höhenmeter verloren haben und die Temperaturen jetzt um 9.30 Uhr morgens schon an der Dreißig- Grad-Marke kratzen, werden die jahrtausende alten Zisternen, rituellen Bäder und die Höhlen, in denen die Rollen gefunden wurden, kurz aber freundlich zur Kenntnis genommen - so wie es sich für ein UNESCO Weltkulturerbe gehört.

Etwas weiter auf derselben Uferstraße hält der Bus am Ahava Visitor Center. Hier konnte man bis vor kurzem mit ansehen, wie die Produkte der weltbrühmten israelischen Kosmetik-Edelmarke hergestellt und verpackt werden. Anfang 2022 ist die Fabrik umgezogen. Es verblieb nur der Outlet-Shop - und da dort jeder Busfahrer Prozente für seine Busladungen mit Touristen bekommt, schaut sich unser Exkursionstrupp im Shop um. Schon bald gehen die aggressiven Verkäuferinnen und Verkäufer mächtig auf die Nerven - und die Preise lösen auch nicht den ganz großen Kaufrausch aus. Immerhin gibt es unter den Krefelder Besuchern auch ein paar Kosmetik-Profis, die hier Mitbringsel für die Lieben daheim erstehen.



Stopp Nummer vier an diesem inzwischen späten Vormittag ist der Naturpark En Gedi.

In En Gedi ist es grün. Mitten in der Wüste sprudelt hier ein munteres Bächlein den Berg hinab, bildet dabei kleine Seen und mehrere Wasserfälle. Tiere und Menschen genießen die schattigen Plätze, die die Palmen und Zypressen hier bieten. Kein Wunder, dass der Ort mehrfach im Alten Testament erwähnt wird, auch in Zusammenhang mit David (das ist der mit dem Goliath - sein Grab besuchten wir ja schon an Tag 2), der sich hier vor ein paar tausend Jahren an einem Wasserfall vor König Saul versteckte.

Über Stock und Stein, durch Schilf und bei gefühlt 40 Grad klettern die Exkursionisten ein kurzes Stück das Tal hinauf. Einige erreichen das Ziel nicht -  David's Wasserfall, ein lauschiges Plätzchen mitten in der Wüste. Schon auf dem Weg locken nämlich kühlende Wasserpfützen, ein Flüßchen und eine Mini-Ausgabe des Wasserfalls. Das reicht den meisten Wanderern heute. Gut, dass alle Teilnehmer an festes Schuhwerk gedacht haben, denn zwischendurch ist es ganz schön glitschig. Die Bergziegen der Gattung Ibex am Hang gegenüber (oder sind es Steinböcke? Oder Gemsen? Oder was?) haben ihrerseits keine Probleme - weder mit den vielen Besuchern, noch mit der Mittagshitze.



Am Wasserfall angekommen sieht die kleine Schar Unerschrockener, dass jemand dort ein wichtig aussehendes Schild angebracht hat. Außer dem roten Ausrufezeichen lässt sich allerdings nichts weiter entziffern. Alles auf arabisch und hebräisch. Und da sich auch die Montessori-Aufsichtführenden allesamt mit Hingabe ihrer Schnürsenkel widmen und minutenlang gar kein Auge für ihre Umgebung übrig haben, nutzen einige erhitzte Wanderer die Gelegenheit, eine exklusive Dusche zu nehmen.

Der Gedanke dabei: was König David vor 4000 Jahren nicht geschadet hat, das kann auch Oberstufenschülerinnen und Schüler nicht erschüttern. Klingt doch logisch, oder?

Alle kommen wohlbehalten wieder am Bus an. Die Geduschten sind längst wieder an der Sonne getrocknet, denn letztere läuft so langsam zur Höchstform auf. Wer auf dem Rückweg durchs Tal ganz genau hingeschaut hat, der konnte über den Zurückkehrenden kleine Dampfwölkchen aufsteigen sehen. Na gut - man musste da schon wirklich gut hingucken.

Jetzt hat der Bus nur noch eine kurze Strecke zurückzulegen, während der das Ausruhen kaum lohnt. Denn 20 Minuten später rutscht rechts der Straße unübersehbar ein imposanter Felsen ins Bild.

Masada ist ein Tafelberg, den man auch zu Fuß erklimmen könnte. Angesichts der En Gedi Strapazen will das aber niemand. Es ist jetzt Mittagszeit in Masada - das bedeutet, dass wir die 40 Grad im Schatten erreicht haben könnten. Sogar die Parkaufisicht hat ein Einsehen, denn der Fußweg ist wegen Hitze gesperrt. Kein Wunder, denn der Weg hinauf hätte gar keinen Schatten gehabt. Daraus folgt logisch: wir nehmen die Bahn.

Eine schmucke Seilbahn Schweizer Bauart fährt dankenswerterweise bis zum Gipfel, also an die Stelle, wo im Jahr 74 nach Christus eine lange Belagerung durch die römischen Invasoren ihr Ende fand. Die Belagerten haben sich lieber selbst getötet, statt in die Hände des Feindes zu fallen. Das finden Israelis bis heute so grandios, dass "der Geist von Masada" heute Teil der soldatischen Grundausbildung ist.

Die Aussicht aus der Seilbahngondel ist noch grandioser als vorher in Qumran. Geneigter Leser, liebe Leserin dieser Zeilen - bitte entschuldige die eingeschränkte Auswahl an Adjektiven für das, was es hier zu sehen gibt. Wenn man den richtigen Platz hat und an seinen schwitzenden Mitfahrern vorbei in die Tiefe gucken kann, wird man mit einem Rundumblick auf die Negev Wüste belohnt - auf mächtige Berge, auf die fast weiße Ebene und auf das Blau des Toten Meeres. Am Kopf des Felsens stehen die Reste des Palastes von Herodes. Schon die Ruinen lassen erkennen: der Mann hatte Geschmack.

Einige findige Gruppenmitglieder haben natürlich sofort die etwas versteckte Treppe zum "Northern Palace" gefunden. Hierhin verlaufen sich eher wenige Besucherinen und Besucher. Die Treppen zum "Palace" sind seitlich in den Fels montiert. Man geht quasi durch das Wadi - wo es dann noch einmal etwas wärmer ist, wenn das überhaupt noch geht. Der Wanderer wird dafür aber auch mit dem freien Blick auf die Ebene und das Meer belohnt.


Zurück in der Talstation stellen wir fest: Die angekündigte Pause in der dortigen Fressmeile (eine freie Übersetzung für "Food Court") kann nicht wie geplant statt finden, da sämtliche Restaurants den Corona Lockdown nicht überstanden haben. Es schlägt nun aber die Stunde des Kioskbesitzers, der mithilfe seiner Mikrowelle den gröbsten Hunger stillen kann.

Und ja, die Kalorien werden gebraucht, denn jetzt fährt Majdis Bus die letzte Station am Toten Meer an. Genauer müsste man das Gewässer "Totes Meer Süd" nennen, denn längst hat der permanente Wasserverlust dazu geführt, dass die einst geschlossene Wasserfläche durch eine breite Sandbank in zwei Hälften geteilt ist. In En Bokek wurde jüngst ein schöner öffentlicher Strand angelegt - so richtig mit Sand, Schatten, Duschen, Umkleiden und Liegestuhlvermietung.

Minuten nach der Ankunft haben die ersten Verwegenen dieses ganz spezielle Gewässer bereits geentert. Es sieht aus, als hätten die Schwimmer vor dem Gang ins Wasser erst einmal eine Luftmatratze verzehrt. Schwimmen wird hier zum Balanceakt - Schwimmbewegung nicht nötig, man schwimmt von alleine und hat die Arme frei für andere Dinge. Man könnte doch in der Bibel lesen, schlägt unser Religionsexperte Andreas Nölke vor. Wenig später sieht man ihn in Rückenlage durch die Fluten gleiten. Dabei liest er seinen Mitschwimmern aus dem Lukas Evangelium vor. Alles möglich mithilfe der Physik schwimmender Körper.



Kann es noch besser werden? Zugegeben - die Reiseleitung hatte bei der Reihenfolge der besuchten Orte hier am Toten Meer die Dramaturgie schon mit berücksichtigt. Nach dem Höhepunkt ist jetzt Chill-Out Time. Trotz der Duschen verklebt, versandet, versalzt, und auch etwas verbrannt - so geht es in 90 Minuten zurück nach St. Charles in Jerusalem. Im Bus herrscht eine fast schon beängstigende Stille. Bei einem Blick auf die Passagiere kommen Zweifel auf, ob bei einigen Teilnehmerinnen die Tiefschlaf-Phase nicht schon eingesetzt hat.

Wie gut, dass es heute Abend im Hospice ein gemeinsames Abendessen gibt. Die Suche nach der besten Falafel-Bude kann heute entfallen. Die Küche des Hospizes ist zur Hochform aufgelaufen. Statt des erwarteten kleinen Abend-Imbisses im Speisesaal gibt es eine formvollendete Grillparty im Klostergarten. Gekühlte geistige Getränke, leckere Salate und einen ziemlich süßen Nachtisch - dazu ein laues Lüftchen und Lichterketten.  Fehlt nur noch, dass jemand "Hava Nagila" oder "Shalom Alejchem" zum besten gibt.


Allzu lang darf der Abend aber nicht werden, denn morgen um 6.15 Uhr in der Früh sollen die Koffer verladen sein. Es geht zurück nach Hause.

Oooch. Schon vorbei.

17Juni2022

Sooo schnell geht das. Und wenn es am schönsten ist, dann muss man nach Hause. So geht der Spruch und so ist es leider auch dieses Mal.

Aber warum nur so früh? Unsere geistlichen Gastgeberinnen, die ja schon bei unserer Ankunft Sonderschichten einlegen mussten, schaffen es doch tatsächlich, uns vor 6 Uhr morgens das Frühstück zu servieren. Nicht dass man da viel runter bekäme außer Kaffee - aber: die Geste zählt.

Schnell noch die Rechnung von gestern Abend begleichen und mit schon einem Fuß im Bus anfragen, ob wir nächstes jahr wieder kommen dürfen ("Natürlich! So eine nette Gruppe!") - da rauscht Majdis Volvo-Blitz auch schon Richtung Tel Aviv zum Ben Gurion Airport.

Die Sicherheitsbefragung jedes einzelnen Passagiers ist eine israelische Spezialität und nimmt geraume Zeit in Anspruch. 90 Minuten, lieb gucken, und wir haben alle Bedenken der Security zerstreut. Die nächste Schlange, in die sich die BMMG-Unentwegten einreihen, sieht herusfordernder aus. Turkish Airlines lässt heute heute Morgen im Abstand von 20 Minuten drei Maschinen in die Luft. Entsprechend stehen vor dem Check-in Schalter so etwa 500 - 600 Menschen mit Koffern. Die beiden Damen an den Schaltern tun ihr bestes, während zwei weitere (männliche) Turkish-Bedienstete die Abläufe überwachen (also nichts tun).

Dass die zwei Stunden bis zum Boarding wie im Flug vergehen ist schlichtweg falsch. Denn nach den zwei Stunden stehen wir immer noch in der Schlange - weiter vorne zwar, aber nicht viel weiter. Schließlich bricht dann doch Hektik aus, denn der Pilot will wohl langsam los. Wir eigentlich auch, denn es gibt ja einen Anschlussflug nach Düsseldorf - den hätten wir gerne erreicht. Schließlich stehen wir doch alle in Schlange Nr. 3, in der das Handgepäck durchleuchtet wird. Jetzt kümmert man sich plötzlich rührend um uns und geleitet uns zum Gate, wo wir schon sehnlichst erwartet werden.

Losfliegen können wir aber nicht, denn es kommen immer noch Passagiere. Statt 10.30 Uhr heben wir kurz nach Mittag in den blauen israelischen Himmel ab. Mit etwas Extra-Kerosin (kost ja nix!) und dem Turbo-Gang erreichen wir auch den Flughafen in Istanbul - spät, aber noch nicht zu spät. Von der Ankunft bis zum Abflug sind es jetzt nur noch 2 km zu Fuß durch die glitzernde Shopping-Welt des brandneuen Flughafens. Schnell die Parfüm-Verkäuferin umkurvt und an den Restaurants vorbei - und dann noch einen Kilometer bis zum Einstieg. Schaffen wir alles.

Sogar die Koffer sind pünktlich in Düsseldorf. Allerdings: ein Mitglied der Delegation, das hier ungenannt bleibt, hat es so eilig, dass der Reisepass leider in der Flugzeugkabine zurückbleiben musste. Die deutschen Grenzer verstehen bei der Einreisekontrolle für Passagiere aus dem Nahen Osten leider gar keinen Spaß, zumal sie jetzt dem Verzweifelten behilflich sein müssen, um in das bereits verschlossenene Flugzeug zu kommen. Man sieht ihnen die Freude darüber geradezu ins Gesicht geschrieben.

Das war aber schon die letzte Hürde. Die Kinder entschwinden mit den Eltern in der Nachmittagssonne - so gehen immer die guten Filme aus. Und so endet auch diese Tour. Alle gesund und voller Eindrücke aus dem Heiligen Land.